Das erfolgreiche und preisgekrönte Format des Digitorials zu Ausstellungen (unter anderem Grimme Online Award 2015 in der Kategorie „Kunst und Unterhaltung“) wird auf Initiative von Städel Direktor Philipp Demandt weiterentwickelt: Ab jetzt bietet das Städel Museum auch Digitorials zu Themen an, die anhand von ausgewählten Werken aus der reichen Sammlung des Städel anschaulich erzählt werden können. Digitorials zu herausragenden Künstlern aus der Sammlung des Städel Museums werden folgen. Diese für den Nutzer kostenfreie Erweiterung der digitalen Vermittlungsinitiative wird von der FAZIT Stiftung ermöglicht und nimmt ihren Anfang mit einem umfassenden Themen-Digitorial zur Reformation.

Passend zum diesjährigen 500. Jubiläum von Martin Luthers Thesenanschlag untersucht das erste Themen-Digitorial des Städel Museums die Folgen der kirchlichen Erneuerung für die Kunst: Der Wechsel vom Kultbild zum Lehrbild, die Entstehung neuer Bildthemen und die reformatorische Interpretation bestehender Ikonografien gehören ebenso dazu wie der Verlust kirchlicher Aufträge und die Entstehung eines privaten Kunstmarktes. Anhand von Werken aus der Städel Sammlung werden sowohl die historischen Unterschiede zwischen katholischem und protestantischem Bildverständnis verdeutlicht als auch die Protagonisten der Reformation wie Luther und Melanchthon oder Schauplätze wie die Wartburg und Rom illustriert. Das kostenfreie, multimediale Vermittlungsangebot veranschaulicht, wie einschneidend Luthers theologische Positionen – beispielsweise der Vorrang des Wortes vor dem Bild – für Künstler waren und wie diese Zeitenwende den Umgang mit Bildern bis heute bestimmt.

„Wir freuen uns, dass uns die FAZIT-Stiftung dabei unterstützt, im wahrsten Sinne des Wortes ‚Kunstgeschichte‘ zu erzählen – und dies anhand der Werke unserer Sammlung und für ein breites Publikum. Mit den neuen Digitorials wollen wir jenseits von Sonderausstellungen den Reichtum unserer Sammlung mit all ihren Themen in historische Zusammenhänge einordnen und so den großen Bogen auch zur Gegenwart schlagen“, so Städel Direktor Philipp Demandt.

„Unsere neu konzipierten Themen- und Künstler-Digitorials dienen einem besseren Verständnis von Kunst – gerade auch im historischen Kontext ihrer Zeit. Das aktuelle Reformationsjubiläum ist ein idealer Ausgangspunkt, um die Funktion sowie Wirkweisen von Kunst und deren Beeinflussung durch religiöse, politische und gesellschaftliche Faktoren mittels modernster digitaler Vermittlung anschaulich zu machen“, erklärt die Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung im Städel, Chantal Eschenfelder, das neue Format.

Fortgesetzt wird die neue digitale Vermittlungsreihe in der ersten Jahreshälfte 2018 mit einem Künstler-Digitorial zu Sandro Botticelli (1445–1510). Sein Gemälde „Weibliches Idealbildnis (Bildnis der Simonetta Vespucci als Nymphe)“ ist ein Hauptwerk der Städel Sammlung und einem breiten Publikum bekannt.

Themen-Digitorial: Kunst im Zeichen der Reformation
Das unter http://reformation.staedelmuseum.de kostenfrei abrufbare Digitorial beginnt mit einem Einblick in die religiöse Funktion der Tafelmalerei vor der Reformation. Die Städel Sammlung besitzt hier Werke von Rogier van der Weyden sowie des „Meisters von Flémalle“ aus dem 15. Jahrhundert. Religiöse Gemälde wie diese wurden zu der Zeit als Kultbilder verehrt und bedienten die Schaulust der Gläubigen – das Anbeten von Heiligenbildern sollte für das Seelenheil sorgen und die Zeit im drohenden Fegefeuer verkürzen.

Martin Luther wehrte sich gegen diese Praxis: Für ihn kam das Seelenheil einzig durch den inneren Glauben und Christus allein zustande. Aus diesem Grund lehnte er auch die Verehrung anderer Heiliger ab. Ebenso wandte er sich gegen den von der Kirche praktizierten Ablasshandel und geriet in Konflikt mit dem Papst. Luther nutzte für seine reformatorischen Anliegen nicht nur seine eigene Wortgewalt, er war sich auch der Wirkmacht von Bildern bewusst und arbeitete in Wittenberg eng mit dem Maler Lucas Cranach d. Ä. zusammen. Angesichts dessen liegt im Digitorial ein besonderes Augenmerk auf Cranachs Werken in der Städel Sammlung.

Durch die Reformation veränderte sich das Verständnis von Kunst grundlegend. Das Digitorial umfasst daher auch andere Länder, in denen zur gleichen Zeit ähnliche reformatorische Forderungen laut wurden. Der Kampf um religiöse Erneuerung vermischte sich mit machtpolitischen Auseinandersetzungen im europäischen Kräftegefüge und zeigte seine blutige Seite: Auf die Bilderstürme in den protestantischen Gebieten folgten die Bauernkriege, und die Religionskriege in Frankreich und den Niederlanden, die dann zu Beginn des 17. Jahrhunderts in den Dreißigjährigen Krieg mündeten. Flucht und Vertreibung waren die Folge – auch von Künstlern.

Vor allem in den protestantischen Gebieten fiel die Kirche als großer Auftraggeber weg. Es entstand ein freier Kunstmarkt mit privaten Käufern. Bildgattungen wie Stillleben – im Digitorial beispielhaft veranschaulicht durch Werke von Georg Flegel oder Jacob van Walscapelle – erlebten dadurch einen Aufschwung. Stillleben mit ihrer Erinnerung an die Vergänglichkeit des Lebens appellierten an die Tugend des Betrachters. Diese Bilder erfüllten somit nach protestantischer Überzeugung eine erzieherische Funktion.

Eine Antwort auf die reformatorischen Bewegungen in Europa formierte sich von Rom aus ab Mitte des 16. Jahrhunderts in der sogenannten Gegenreformation. Diese mündete in eine grundlegende Reform der katholischen Kirche selbst. Erneut stand auch die Kunst unter dem Einfluss theologischer Entscheidungen. Dem lehrhaften Stil protestantischer Kunst wurde eine gefühlsbetonte Malerei entgegengesetzt, die alle Möglichkeiten der Inszenierung zur sinnlichen Überwältigung des Gläubigen nutzte, wie dies an Werken von Guido Reni oder Cornelis de Vos deutlich wird.

Auch im 19. Jahrhundert waren die Auswirkungen der Reformation noch spürbar: Zur Veranschaulichung greift das Themen-Digitorial einen Bilderstreit aus den frühen Jahren des Städelschen Kunstinstitutes auf. Damals kam es bei Ankäufen zu einem Konflikt zwischen dem katholisch gesinnten Direktor Philipp Veit und der protestantisch orientierten Administration.

Abschließend zeigt ein Werk des Künstlers Hermann Nitsch aus dem Jahr 1989 die künstlerische Auseinandersetzung mit archaischen Opferritualen und Elementen aus der katholischen Glaubenspraxis. Nitsch unterstreicht damit die gemeinsamen Wurzeln religiöser Rituale. So macht das Digitorial deutlich, dass die Reformation und ihre Gegenbewegungen bis in die heutige Zeit hineinwirken und die Kunst vielfältig beeinflusst haben und nach wie vor beeinflussen.

Das Digitorial ist in die folgenden Kapitel gegliedert:

1) Kunst im Zeichen der Reformation
2) Vom Kultbild zum Lehrbild
3) Der Papst im Kreuzfeuer
4) Eine Bibel für alle
5) Bilderstürme, Krieg und Kunstmarkt
6) Visuelle Überwältigung – Gegenreformation in der Kunst
7) Bilderstreit am Städel

Wie schon bei den bisher produzierten Ausstellungsdigitorials werden für Desktop, Tablet und Smartphone aufschlussreiche Informationen, übergreifende Zusammenhänge und Hintergrundgeschichten responsiv in neuartiger Visualität gebündelt. Die multimediale Verschränkung von Bild, Ton und Text schafft eine vielfältige Vernetzung der Inhalte und völlig neue Wege der Darstellung, Erzählung und Vermittlung von Kunst.

THEMEN-DIGITORIAL: KUNST IM ZEICHEN DER REFORMATION
reformation.staedelmuseum.de

Autoren: Anne Sulzbach, Anna Huber, Chantal Eschenfelder, Jakob Schwerdtfeger

Ermöglicht durch: FAZIT-STIFTUNG

Social Media: Das Städel Museum kommuniziert das Digitorial in den sozialen Medien mit dem Hashtag #Reformation.

Städel Museum:
Information: www.staedelmuseum.de, info@staedelmuseum.de,
Telefon +49(0)69-605098-200, Fax +49(0)69-605098-112
Besucherdienst: Telefon +49(0)69-605098-232, besucherdienst@staedelmuseum.de
Ort: Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main

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