PRESSEINFORMATION
Werner Tübke. Metamorphosen
2. JULI BIS 28. SEPTEMBER 2025
Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung
Pressevorbesichtigung: Dienstag, 1. Juli 2025, 11.00 Uhr
Im Jahr 2023 erhielt das Städel Museum aus der Sammlung von Barbara und Eduard Beaucamp ein eindrucksvolles wie auch repräsentatives Konvolut eines der bedeutendsten Maler der DDR, Werner Tübke. Diese herausragende Schenkung von 46 Zeichnungen und Aquarellen Tübkes präsentiert das Städel nun vom 2. Juli bis 28. September 2025 in einer Ausstellung, die seinem zeichnerischen Werk und seiner metaphorischen Bildsprache gewidmet ist. Tübke (1929–2004) zählt neben Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer zu den Hauptvertretern der sogenannten ersten Leipziger Schule und schuf in Malerei und Zeichnung ein ebenso autarkes wie konsequentes, formal und inhaltlich dichtes Gesamtwerk. „Zeichnen ist elementares Bedürfnis“, formulierte der Künstler einst, „alles andere kommt dann.“ Tübkes Aquarelle und Zeichnungen in Grafit, Feder und Kreide zeugen von großer gestalterischer Freiheit und Eigenständigkeit. Sie sind essenzieller Teil seines künstlerischen Schaffens: Er sammelte in ihnen Ideen, stellte formale Überlegungen an und erarbeitete sich die unterschiedlichsten Themen.
Werner Tübke reflektiert in seinen vielschichtigen, von einer einfallsreichen, manchmal geradezu überbordenden Fantasie geprägten Kompositionen die Komplexität der Welt mit ihren existenziellen Fragen, Nöten und Konflikten. Dabei beweist er ein feines Gespür für die Verletzlichkeit des Menschen, der als Individuum im Mittelpunkt seiner Kunst steht. Engel, Einhörner und Zauberer, Harlekine, Verhüllte, Verschnürte und immer wieder Gefolterte sowie Maskierte bevölkern seine Werke. In seinem „Welttheater“ ist durch die schöpferische Aneignung der älteren Kunstgeschichte die Zeit aufgehoben und alles von Erinnerungen durchdrungen. Seine Kunst zeigt eine realistische Formensprache, die Bildaussagen bleiben dabei aber häufig in der Schwebe. Ihm ging es weniger um eine konkrete Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern um „Seinsdeutung“.
Die herausragende Leistung Werner Tübkes für die deutsche Nachkriegskunst wurde schon früh von dem westdeutschen Kunstkritiker Eduard Beaucamp erkannt und gewürdigt. Er verfolgte das Schaffen des „großen Unzeitgemäßen“ seit den späten 1960er-Jahren, zunächst als Kunstkritiker der F.A.Z., dann auch als Freund und Sammler. Das Städel Museum als älteste private Museumsstiftung Deutschlands wird getragen vom Engagement privater Förderer ebenso wie von Unternehmen, Stiftungen, der Stadt Frankfurt und dem Land Hessen. Das Ehepaar Barbara und Eduard Beaucamp ist dem Städel mit seinem Engagement seit Jahren verbunden. Bereits 2010 ging das Gemälde Madonna mit Kind (1621–1622) von Guercino aus der Sammlung Beaucamp als Schenkung ans Museum.
Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums, zur Ausstellung: „Werner Tübke ist ein Solitär in der deutschen Nachkriegskunst. Seine Werke fordern uns heraus, das Menschliche im Abgründigen, das Zeitlose im Historischen und das Wahre im Verfremdeten zu erkennen. Dass wir sein zeichnerisches Werk heute in solcher Tiefe zeigen können, verdanken wir dem jahrzehntelangen, unermüdlichen Engagement Eduard Beaucamps. Als Kunstkritiker, Freund und Sammler hat er Tübkes Rang früh erkannt und ihn mit Leidenschaft der Öffentlichkeit vermittelt. Die großzügige Schenkung von Barbara und Eduard Beaucamp ist weit mehr als ein bedeutender Zugewinn für das Städel Museum: Sie eröffnet neue Perspektiven auf Tübkes Werk und verankert es im kunsthistorischen Bewusstsein.“
„Das scheinbar so Realistische bei Tübke täuscht, denn seine Kunst ist alles andere als abbildhaft oder einsinnig: Es gibt immer wieder ‚Kippmomente‘, Unklarheiten, Mehrdeutigkeiten. Ihn interessierten die grundlegenden menschlichen Themen, denen er sich direkt beim Malen oder Zeichnen annäherte. Er umkreiste sie geradezu mit jeder neuen Arbeit. Beaucamp hat diesen künstlerischen Ansatz sehr treffend als ‚Denken in Bildern‘ beschrieben. Es gibt bei Tübke daher selten klassische Vorzeichnungen für seine Gemälde, vielmehr sind Malerei, Zeichnung, auch Druckgrafik gleichwertige Teile eines andauernden Reflexionsprozesses. Am Ende steht nicht eine Bildlösung, sondern es gibt viele – und das medien- und jahrzehnteübergreifend. Tübkes Kunst erweist sich als permanent im Wandel, als ebenso metamorphisch wie seine Bildsprache“, ergänzt Regina Freyberger, Leiterin der Graphischen Sammlung ab 1800 am Städel Museum und Kuratorin der Ausstellung.
Kuratorin: Dr. Regina Freyberger (Leiterin Graphische Sammlung ab 1800, Städel Museum)
Gefördert durch: Heinz und Gisela Friederichs Stiftung
Mit weiterer Unterstützung durch: Fritz P. Mayer
Den gesamten Pressetext finden Sie hier als PDF.